Die COVID-19-Pandemie stellt uns alle vor große Herausforderungen. Unter anderem im geschäftlichen Bereich ergeben sich finanzielle Belastungen aufgrund pandemiebedingter Maßnahmen, wie Betretungsverbote, und dennoch zu zahlenden Fixkosten. In diesem Zusammenhang gab es nunmehr die erste OGH-Entscheidung zur Mietzinsbefreiung aufgrund eines pandemiebedingten Betretungsverbots (3 Ob 78/21y).
Konkret ging es um die Miete eines Geschäftslokals, mit dem vereinbarten Verwendungszweck „Sonnenstudio und artverwandte Tätigkeiten samt atypischen Nebenbereichen wie Getränkeausschank, Verkauf von Zubehör/Pflegeartikel etc.“. Aufgrund des Covid-19-bedingten Betretungsverbots für derartige Geschäftslokale gab der Mieter gegenüber dem Vermieter die Erklärung ab, dass er aufgrund dieses Betretungsverbots, gemäß Informationen der Wirtschaftskammer, für April 2020 jedenfalls keinen Miet- oder Pachtzins zu zahlen hat. Dies war auch Gegenstand der Klage, mit welcher der Mieter feststellen lassen wollte, dass einerseits das Betretungsverbot auch für diesen galt und er daher nicht verpflichtet war für den Monat April 2020 Miet- oder Pachtzins zu bezahlen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Rechtlich erklärte das Erstgericht, dass die Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts aufgrund eines behördlich verfügten Verbots im Sinne des § 1104 ABGB gegeben ist. Die Richtlinie für Fixkostenzuschüsse sei erst Ende Mai 2020 bekanntgegeben worden, weshalb die Klägerin davon im April nichts habe wissen können. Die Klägerin war daher berechtigt, für den Monat April 2020 den Mietzins und die damit verbundenen Betriebskosten zu mindern.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und brachte dazu ergänzend vor, dass die Klägerin im April 2020 an der Benützung des Bestandobjekts zum bedungenen Gebrauch als Sonnenstudio gehindert gewesen war und damals im Bestandobjekt auch keine Waren gelagert hatte, sondern nur die Einrichtung ihres Betriebs nicht entfernt hat. Dieser Umstand stehe einer Mietzinsbefreiung nicht entgegen und diese umfasse auch die Betriebs- und Heizkosten. Überdies habe die Klägerin den Strom und die Heizung im Objekt komplett abgeschaltet. Soweit der Beklagte auf mögliche Zuschüsse verweise, stünden diese dem Mieter (Unternehmer) nur insoweit zu, als dieser aufgrund der Rechtslage zur Zahlung solcher Kosten verpflichtet (gewesen) sei, nicht aber – wie hier – in jenen Fällen, in denen der Bestandnehmer Mietzinsbefreiung habe geltend machen können.
Der OGH ließ die Revision zwar nicht zu, traf allerdings Aussagen zur Anwendbarkeit des § 1104 ABGB. Der OGH definiert in diesem Zusammenhang den Begriff „Seuche“ als Infektionskrankheit, die infolge ihrer großen Verbreitung und Schwere des Verlaufs eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Diese Definition treffe unzweifelhaft auf COVID-19 zu. Aufgrund des Betretungsverbots konnte daher das Geschäftslokal „gar nicht gebraucht oder benutzt werden“. Auch liege keine Lücke des § 1104 ABGB vor, weil der Fall nicht bedacht wurde, wenn außerordentliche Zufälle nicht in die physische Substanz des Bestandobjekts eingreifen. Dies deshalb, da sich eine Seuche geradezu typischerweise nicht auf die Substanz des Bestandobjekts auswirkt.
Der OGH hielt in diesem Zusammenhang weiters explizit fest, dass die eingeschränkte Verwendung, etwa für administrative Tätigkeiten oder für Lagerzwecke, im konkreten Fall nicht in Betracht kommt, war dies doch nach den bindenden erstgerichtlichen Feststellungen für die Klägerin weder erforderlich noch sinnvoll möglich. Es fand auch kein Verkauf von Pflegeprodukten statt und es wurden weder solche Produkte noch Getränke im Bestandobjekt gelagert.
Es ist daher davon auszugehen, dass es hierbei zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, wenn der Mieter das Bestandobjekt zumindest teilweise nutzen konnte. Da allerdings eine Seuche gemäß § 1104 ABGB bejaht wurde, stellt sich natürlich die Frage, ob nicht dennoch eine gewisse Mietzinsminderung möglich gewesen ist.
In diesem Zusammenhang hielt der OGH in seiner Entscheidung zu 3 Ob 184/21m mittlerweile fest, dass es bei der Frage, ob eine Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts vorliegt, auf die vertragsgemäße charakteristische Nutzung ankommt. Ist der bedungene Gebrauch des Bestandobjekts durch Kundenverkehr gekennzeichnet, so führt ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID-19-Pandemie zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts im Sinne des § 1104 ABGB. Ist die Nutzung eingeschränkt möglich, so kommt es gemäß § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung.
Auch in der Entscheidung zu 3 Ob 184/21m war wiederum der Fixkostenzuschuss Thema. Der OGH entschied hierbei, dass der Fixkostenzuschuss nicht dazu gedacht ist, den gesetzlichen Mietzinsentfall des Geschäftsraumvermieters wettzumachen und daher auch nicht an den Vermieter herausgegeben werden muss. Dies auch im Hinblick darauf, dass die Verordnung betreffend den Fixkostenzuschuss eine Schadensminderungspflicht vorsieht, sprich der Mieter sogar verpflichtet wäre, eine ihm zustehende Mietzinsminderung geltend zu machen.
Unklar ist allerdings, inwiefern sich die Entscheidung auf bezahlte Mietzinse trotz behördlichem Betretungsverbot auswirkt. Aus unserer Sicht stellt dieses Urteil zwar eine Argumentation zur Rückforderung des Mietzinses dar, allerdings wird eine solche, bei Weigerung des Vermieters, wohl gerichtlich geltend zu machen sein. Hierbei wird wiederum eine Rolle spielen, inwiefern das Bestandobjekt trotz Betretungsverbot genutzt werden konnte.
Mag. Barbara Spanberger