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LEGAL-FLASH Aufsichtspflicht für Minderjährige »Zurück
Wie intensiv müssen Eltern ihre minderjährigen Kinder beaufsichtigen? Rund um die Uhr oder doch nur fallweise? Zu dieser Frage gibt es eine aktuelle Entscheidung.
Gemäß § 1308 ABGB kann ein Geschädigter keinen Ersatz ansprechen, wenn Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, oder Unmündige jemanden schädigen. Der Geschädigte kann gemäß § 1309 ABGB allerdings Ersatz von den Obsorgeberechtigten dieser Personen verlangen, wenn ihnen der Schaden wegen Vernachlässigung der Obsorge zugemessen werden kann.
Im konkreten Anlassfall, an dem der zuständige Partner als Parteienvertreter beteiligt war, entstand aufgrund von Zündeln von zwei minderjährigen Burschen (fahrlässig) ein Großbrand an einem Gebäude. Der Eigentümer des bei diesem Großbrand abgebrannten Gebäudes verlangte von den Eltern der beiden Minderjährigen Schadenersatz für das abgebrannte Gebäude wegen Verletzung der Aufsichtspflicht.
Im Rahmen eines umfassenden Beweisverfahrens zog das Erstgericht folgende rechtliche Schlussfolgerungen:
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Für die Unterlassung der Obsorge trägt ausschließlich der geschädigte Eigentümer des Gebäudes die Beweislast; die beklagten Eltern als Aufsichtspflichtige haben ihre Schuldlosigkeit zu beweisen. Es handelt sich hierbei also um einen gemeinsamen Beweis.
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Die Aufsichtspflicht richtet sich nach dem Alter der Minderjährigen sowie den sonstigen Eigenschaften ihrer Entwicklung. Nur dann, wenn konkrete Verhältnisse Mehraufsicht erfordern, sind die Eltern dazu verpflichtet, eine durchgängige oder erhöhte Kontrolle aufrecht zu erhalten.
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Bei zwölfjährigen Minderjährigen ist es nicht mehr üblich, dass diese Kinder ständig von ihren Eltern beaufsichtigt werden. Maßstab der Selbständigkeit ist unter anderem auch das Jugendschutzrecht, das den Kindern Ausgang alleine vor allem während des Tages erlaubt. Ohne ein zuvor gesetztes Fehlverhalten der Minderjährigen gibt es keinen Grund zu erhöhter Kontrolle.
Entscheidung: 54 Cg 47/17d des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, zum Zeitpunkt dieses Newsletters noch nicht rechtskräftig.